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Historisches aus dem Musik-Kreis

Lübecker Nachrichten v.  3./4. Januar 1999

PORTRAT DER WOCHE
Der verbannte Kantor

Von SABINE MALLWITZ

In unchristlichen Zeiten hätte er vermutlich am Pranger gestanden, heutzutage wird er schlicht von der Orgelbank verbannt: Der Lauenburger Kantor Manfred Schulz hat nach Einschätzung des Kirchenvorstandes gegen das sechste Gebot der evangelisch-lutherischen Kirche verstoßen, das da lautet: "Du sollst nicht ehebrechen". Grund für die mittlerweile dritte Gerichtsklage gegen den ehrenamtlichen Leiter des Musik-Kreises. Seine "Verfehlung" in den Augen des Lauenburger Kirchenvorstandes: Manfred Schulz lebt seit mehr als zehn Jahren von seiner ihm angetrauten Frau getrennt und seit etwa vier Jahren mit einer anderen Frau zusammen - ohne geschieden zu sein.
Der Grund für seine vermeintliche Verfehlung ist persönlicher Natur: "Ich wollte unsere beiden Söhne nicht in einen Scheidungsprozess hineinziehen", unterstreicht der hauptberufliche Gymnasiallehrer, der die Fächer Mathematik, Philosophie, Sozialkunde und Ethik unterrichtet. Ein Anliegen, dass "meine Frau teilt", sagt Schulz. Er habe zwar versucht, diese Gründe den Lauenburger Kirchenoberen verständlich zu machen:  "Leider bin ich nicht auf Verständnis, sondern auf Ablehnung gestoßen." Zweimal habe das Arbeitsgericht in der Sache für den Kantor entschieden.
 "Ich bin in der Lauenburger Kirche seit frühester Kindheit engagiert. Ich habe es aber in den vergangenen Jahren immer mehr als bedauernswert empfunden, dass Kirche nicht stärker in der Lage ist, auf die Menschen der Gemeinde zuzugehen und ihnen Antworten auf ihre Fragen zu geben, ohne sie gleich mit der Bibel zu erschlagen", sagt der 46jährige, der im Alter von 17 Jahren einen Musik-Kreis ins Leben gerufen hatte.


Musik rief er vor sieben Jahren die Theatergruppe "Commedia musicale" und damit die Lauenburger Schlossspiele ins Leben. Die rund 150 Mitglieder zwischen 13 und 87 Jahren halten zu ihrem künstlerischen Leiter, der vor 30 Jahren an der Lübecker Hochschule für Musik seine Prüfung zum ehrenamtlichen Kirchenmusiker abgelegt hatte. In einer Versammlung sprachen sich die Mitglieder unlängst dafür aus, nicht mehr in Räumlichkeiten der Lauenburger Kirche zu musizieren. Geistliche Musik soll aber auch weiterhin zum Repertoire gehören - nicht zuletzt haben Aufführungen des Weihnachtsoratoriums, des Messias, der Matthäus-Passion und der Brandenburgischen Konzerte entscheidend zum Ruf des Musik-Kreises beigetragen.
Manfred Schulz plant die Gründung einer Musikschule sowie die Einrichtung eines Förderkreises als gemeinnütziger Verein. Dafür wird Geld und Platz benötigt, auch wenn die Stadt Lauenburg den Musik-Kreis in puncto Räumlichkeiten "sehr unterstützt". Und dann sagt der "verbannte Kirchenmusiker" mit einem Augenzwinkern: "Vielleicht finden wir ja mal ein nicht mehr genutztes Kirchengebäude."
Manfred Schulz blickt über den Brillenrand: "Musik verbindet Menschen. Und das ist doch auch das Anliegen der Kirche."
Mitreißend weiß der "praktizierende" Christ die Mitglieder seines Ensembles zu motivieren. 1995 hat er die musikalische Formation durch eine Big-Band erweitert, die dem Jazz und auch der Rock-Musik ihre Referenz erweist. Aus eigener Erfahrung sagt er: "In jedem Menschen steckt ein Künstler. Man muss ihm nur helfen, seine Kunst zu finden." Mit dieser Erfahrung und auf den Pfaden historischer